Das
ist doch ganz einfach, brabbelte Manne. Noch n Bier und n Rum, ein
bisschen Natodraht um zu, und feddich! Rudyard knallte ihm die Gläser
auf den Thresen und verzog angewidert den linken Mundwinkel.
Nee,
nee, murmelte Bello. Da fehlt noch was.
Rudy,
brüllte er, wo bleibt mein mit belebendem Felsquellwasser gebrautes
Elixier?! Mach mal hinne, verdammt!
Also,
wandte er sich wieder Manne zu und stützte den linken Ellbogen
impressiv in die Bierlache. Mindestens fehlen da noch ein paar
Selbstschussanlagen, und, und natürlich die Mauer!
Pah,
Mauer, machte Manne abfällig, das hat doch noch nie was genützt.
Haste doch gesehen.
Und
jede Menge Knoblauch, grunzte Bello und kippte sich einen veritablen
Schluck hinter die Binde. Er trank grundsätzlich nur aus 1l Gläsern.
Rudyard stellte die Musik lauter. Highway to hell, von AC/DC. War ja
nicht zum aushalten, das Gewäsch.
Und
jede Menge Knoblauch. Kilometerlang Knoblauch, tausende von
Kilometern lang, schrie Bello.
Wieso
das denn? Manne konnte mit so 'nem Scheiß nichts anfangen. Rudyard
nahm die letzte Ecke seines Geneverquadrats zu sich und stellte
ergeben die Musik wieder leiser. Es nützte ja doch nichts. Jetzt
floss Schostakovich aus den alten Boxen.
Wegen
den Vampiren, hustete Bello. Da war der zweite Schluck doch in die
falsche Kehle geraten.
Was
für Vampire? Manne kam nicht mehr mit.
Na,
diese Vampire von ausserhalb, knurrte Bello. Die sind doch überall,
also, man sieht sie bloss nicht.
Wie
willst du denn um Europa ne Knoblauchhecke ziehen? Soviel Knoblauch
gibt’s doch gar nicht.
Doch,
natürlich. Bello steckte sich einen Stumpen an. Auch das noch,
stöhnte Rudyard innerlich und stellte den Ventilator auf Stufe 3.
Höher gings nicht. Der Ventilator rülpste und stellte seine
Tätigkeit ein. Rudyard nahm das unbewegt zur Kenntnis.
Vor
allem inner Türkei, fuhr Bello fort. Die züchten den ja förmlich.
Aber
die Türkei gehört doch gar nicht dazu, zu uns, brabbelte Manne.
Das
macht ja nichts. Dann schliessen wir mit denen einen
Kooperationsvertrag. Die liefern uns den Knoblauch für die Hecke und
dafür ... , weiß nicht, also Özdemir würde das machen.
Was,
wofür?! Özdemir, der Schneider?! Manne winkte entnervt nach
Rudyard, der sich in die kleine Küche verzogen hatte.
Rudyard,
mach mal ein paar Fleischbällchen. Und noch n Gedeck! Hörst Du?!
Rudyard
murkste grummelnd vor sich hin.
Ja,
was denn nun? Krächzte Manne und stopfte sich seine Pfeife.
Was
meinst du? fragte Bello beleidigt. Immer bist du am meckern.
Quatsch
nicht dämlich. Manne brannte seine Pfeife an.
Siehste!
Genau das mein ich.
Was
sollen wir denn sonst gegen die ganzen Horden machen. Bello verstand
Manne einfach nicht. Das ist doch wie dieser dämliche leere
Papageienkäfig da hinten.
Das
hab ich gehört, knurrte Rudyard, der gerade mit den Fleischbällchen
aus der Küche kam. Werdet hier bloss nicht komisch und knallte ihnen
die Schüssel nebst Rum und Pils auf den Thresen.
Ja,
hättest du Lorra angebunden, wäre sie nicht weggeflogen, brabbelte
Bello.
Du
musst dich gerade melden. Rudyard griff zum Baseballschläger unter
dem Thresen. Am liebsten, ...
Nee,
ist doch genau wie mit der Knoblauchlieferung, murrte Bello. Wir
kriegen von den Türken die Knoblauchmauer und die...
Ja,
soweit waren wir schon, grunzte Manne.
...
und die, fuhr Bello ungerührt fort, kriegen von uns nen Pass oder
so, stellte er zufrieden fest. Und zack! Sind wir vor den Vampiren
sicher und den ganzen Hottentotten und diesem Volk.
Du
spinnst, konstatierte Manne unzufrieden. Wo sollen wir denn die
ganzen Pässe hernehmen und ausserdem sind da immer noch diese
Amerikaner.
Nee!
Sagte Bello. Die nun ganz bestimmt nicht mehr. Die sind doch alle
weg. Nach Afghanistan,in 'nen Irak und so weiter. Und bald treten die
sich in Korea auf die Füße. Die sind doch gar nicht mehr hier bei
uns.
Ach
du Grüne Neune, knurrte Rudyard, aber Bello schüttelte nur den
Kopf.
Das
verstehst du einfach nicht. Ich mein, wo sind wir denn hier?! Oder,
was?! Wir haben doch hier die Kulturhoheit. Von den alten Griechen
geerbt, und so weiter.
Manne
trank seinen Krug leer und sah Rudyard drohend an. Zähneknirrschend
griff Rudyard zu einem neuen Krug und kantete den unter den Zapfhahn.
Alte Griechen, mein Gott, die riechen ja noch nicht mal mehr.
Und
die Amerikaner? Häh?! Die sind doch auch irgendwie wie wir. Kommen
ja auch von hier. Ihr müsst euch mal konzentrieren. Manne wurde
allmählich sauer.
Scheiß
auf deine Amerikaner! Coca Cola, Pommes und Babtisten, pah, das ist
doch keine Kultur. Ungehalten polierte Rudyard die Gläser.
Blödsinn,
murmelte Bello. Die Pommes, das sind doch Belgier.
Solange
’s die ja nun auch wieder nicht, kommentierte Rudyard und zapfte.
Nee,
nee, stöhnte Manne. Ist das alles schwierig. Wenn die Türken nicht
mitspielen, na, wo soll das denn enden?! Er stopfte nachdenklich
seine Pfeife nach.
Ich
meine, Goethe und Schiller und so, und z. B. dieser Verrückte aus
Bargfeld, wißt ihr, ich meine, ich weiß nicht... .
Nee,
du ganz bestimmt nich'. Du hast ja noch nicht mal nen Papagei,
haspelte
Bello triumfierend.
Was soll denn diese Anspielung?
Rudyard wurde allmählich sauer. Lorra ist wahrscheinlich tot, und
ihr, ihr macht euch hier lustig.
Nee, nix, niemand, nee, nie, echt,
versuchte ihn Manne zu beruhigen. Das geht hier doch um Größeres.
Ich meine, Land der untergehenden Sonne, und so, weißt du, was ich
meine?
Eigentlich nicht. Rudyard polierte
mißtrauischer die Gläser und dachte wehmütig an Lorra. Die hatte
wenigsten gewußt, was sie sagte. Auch wenn sie immer nur 'Arschloch'
gekräht hatte. Und Lorra war nicht klein gewesen. Eher größer.
Rudyard schenkte nach. Und baute sich ein neues Quadrat aus vier
Genevern. Man konnte nie wissen bei all dieser Vergänglichkeit.
Darum gehts doch gar nicht,
insistierte Manne. Das ist doch ne wie 'ne postkoitale Negoziation.
Rudyard verschluckte sich und hustete etwa.
Siehst, du. Das mein' ich, mümmelte
Bello, das letzte Fleischbällchen quer zum Maule führend, wie
weiland Heinrich VIII den Kapaunschlegel. Genau das mein' ich. Immer
muss er alles verkomplizieren.
Also, Manne atmete krachend durch die
Hose, dass er richtig stolz war. Wenn wir diese Mauer um uns hier
ziehen, dann kann doch keiner mehr rein, oder was?!
Aber keiner kann mehr raus.Bello
fühlte sich irritiert.
Aber das will ja auch keiner, grämte
Manne. Weil, alle sind ja drin. Und wir sind es eben. Wir sind die
Leut. Wir müssen das nur vernünftig organisieren.
Also mir kommt hier kein Leut mehr
rein, sagte Rudyard, schloss die Tür ab, genehmigte sich zwei Ecken
Genever und prostete Lorras leerem Käfig zu. Gone with the wind.
Vielleicht hätte er sie doch anbinden sollen. Er wuste es nicht.
Adhäsiv hatten sie sich nie so richtig verstanden. Immer nur
'Arschloch' war doch etwas einsilbig gewesen.
Was ist denn nun mit den Vampiren?
fragte Manne.
Nee, gulbte Rudyard. Nee, wirklich
nicht, die nicht auch noch. Da kommt mir hier keiner mehr rein.
Bist n ganz Flotten, was?! Bello
knallte sein Glas noch auf den Thresen und fiel dann seitlich,
irgendwie elegant, vom Hocker.
Wir haben ja auch noch Luther, meinte
Manne.
Wo? fragte Rudyard, zapfte noch ein
Pils und hielt es dem gefallenen Engel so unter die Lippe, dass er
den Strohhalm benutzen konnte. Und das ist ausserdem auch kein
Vampir.
Ja, ja überall geht 's rund. Manne
hatte den Faden verloren. Musste man denn alles drei mal sagen, oder
was. Er lehnte sich nach hinten, aber der Hocker hatte keine Lehne.
Ach, du Scheiße, dachte Rudyard.
Schon wieder. War wohl zu spät. Er warf einen Blick auf die Junghans
Wanduhr, aber die war schon ewig nicht mehr aufgezogen worden. Mit
dem Rest Rum taufte er den schnarchenden Manne. Er überlegte
kurz, ob er wie vor zwanzig Jahren den Thresen rausreissen und
mitnehmen sollte, entschied sich aber stirnrunzelnd dagegen. Man muss
sich auch was für später aufbewahren können, dachte er. Nahm die
Scheine aus der Kasse und verliess den Laden durch die Hintertür. Es
war eigentlich wie immer gelaufen. Das Licht ließ er brennen.